Passende Rahmenbedingungen und schnelle Umsetzung des Masterplans Ladeinfrastruktur II
Die im Klimaschutzgesetz der Bundesregierung für den Verkehrssektor verbindlich verankerte Reduktion der Treibhausgasemissionen auf 85 Millionen Tonnen bis 2030 ist ohne Einsparungen im Straßengüter- und öffentlichen Straßenpersonenverkehr nicht zu erreichen, da diese für ein Drittel des CO2-Ausstoßes im gesamten Straßenverkehr verantwortlich sind.
Nutzfahrzeugbranche kann Klimaschutz
Mit batterieelektrischen Nutzfahrzeugen (BEV-Nfz) kann innerhalb des Portfolios alternativer Nfz-Antriebstechnologien ein großer und schneller Beitrag zur Erreichung der Klimaziele geleistet werden.
Die Batterietechnologie kann bei ausreichend verfügbaren alternativen Energiekapazitäten zeitnah große CO2-Vermeidungspotentiale erschließen. Mit über 180.000 leichten E-Nutzfahrzeugen bis 3,5 Tonnen in Deutschland sind heute schon die Hersteller in nennenswerten Stückzahlen am Markt vertreten. Dieses Jahr stieg der Anteil um knapp 11.000 Stück – ein Plus von sechs Prozent. Zudem: Der Marktanteil zuverlässiger und effizienter batterieelektrischer leichter und schwerer Nutzfahrzeuge wird in den nächsten Jahren stetig anwachsen. Schon sehr frühzeitig kann diese Antriebstechnologie eine der wichtigen Säulen des CO2-freien Straßenverkehrs – neben Wasserstoffantrieben, Gasantrieben und synthetischen Kraftstoffen – bilden. Allein die ersten reichweitenstarken 100.000 schweren BEV-Lkw könnten jährlich 10 Millionen Tonnen CO2 einsparen – vorausgesetzt, eine bedarfsgerechte Ladeinfrastruktur ist vorhanden.
Rahmenbedingungen müssen stimmen
Der Transformationsprozess wird bis 2030 nur gelingen, wenn die Rahmenbedingungen sowie Planungs- und Investitionssicherheit für Hersteller und Nutzer stimmen. Die Verbände AMÖ, BGL, BIEK, BWVL, DSLV, VDA, VDIK und ZVEI haben gemeinsam Punkte ausgearbeitet, die den Transformationsprozess erfolgreich gestalten werden:
• Verlässlicher Fahrplan: Im Interesse der Planungs- und Investitionssicherheit für Nutzer und Industrie muss die Bundesregierung einen verlässlichen Fahrplan für den Infrastrukturaufbau sowie die verschiedenen staatlichen Lenkungsinstrumente vorlegen
Laufende und zukünftige Investitionen in Logistikimmobilien werden derzeit durch Unsicherheiten über betriebseigene Energieverfügbarkeiten, Zugangsmöglichkeiten zu alternativen Energien und über Möglichkeiten für den technischen Aufbau einer betriebseigenen Ladeinfrastruktur erschwert. Hier gilt es schnell gegenzusteuern.
Die europäischen Nutzfahrzeughersteller haben angekündigt, dass bereits 2025/2026 etwa 10.000 schwere BEV-Lkw auf deutschen Autobahnen zu erwarten sind. Bis dahin muss eine leistungsstarke Ladeinfrastruktur flächendeckend einsatzfähig sein.
• Angemessene Förderkulisse: Um den Markthochlauf zu beschleunigen und den Nutzern Anreize zu setzen, in neue Fahrzeugtechnologien zu investieren, sind angemessene Förderinstrumente zu definieren, die Verlässlichkeit und Planbarkeit garantieren.
• CO2-basierte Lkw-Maut: Ein wichtiger und wettbewerbsneutraler Hebel zur Erreichung eines Markthochlaufs ist die CO2-basierte Lkw-Maut. Ihre Einführung sollte sich an der Marktverfügbarkeit von Fahrzeugen mit alternativen Antriebstechnologien orientieren, mit hinreichendem Planungsvorlauf beschlossen werden, Entlastungsspielräume beim Infrastrukturanteil ausschöpfen und zugleich Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen umfassen. Parallel dazu muss eine Doppelbelastung durch CO2-Maut und nationalen Emissionshandel unbürokratisch durch Ausnahmen für das Straßengüterverkehrsgewerbe im Brennstoffemissionshandelsgesetz vermieden werden.
• Wettbewerbsfähige Strompreise und Gleitklauseln: Wettbewerbsnachteile von BEV-Nutzfahrzeugen durch Strompreisdifferenzen und -schwankungen sollten dringend vermieden werden. Gleichzeitig müssen verlässliche Daten des Statistischen Bundesamtes über die Strompreisentwicklung auf Wochenbasis verfügbar sein, um Preisschwankungen in Gleitklauseln abbilden zu können.
• Ladeinfrastruktur: Eine adäquate öffentliche und betriebliche bzw. private Ladeinfrastruktur ist zwingend notwendig. Diese muss flächendeckend mit möglichst vielen Schnellladepunkten und dem hohen Energiebedarf entsprechend ausgebaut sein. Der Aufbau der Ladeinfrastruktur im gewerblichen, wie im öffentlichen Sektor muss vorauslaufend zum Fahrzeughochlauf und bedarfsgerecht erfolgen, um den Fahrzeugherstellern und der Logistikbranche ausreichend Planungssicherheit zu bieten. Zur Ladeinfrastruktur ist auch die vorgelagerte Netzinfrastruktur ebenfalls vorauslaufend auf die zu erwartende Ladetechnik auszubauen. Es ist zudem sicherzustellen, dass öffentliche Ladeinfrastrukturen für Nutzfahrzeuge auch mit Abrechnungssystemen analog den gegenwärtig im Straßengüterverkehrsgewerbe üblichen Bezahlsystemen (z.B. „Tankkarten“) benutzt werden können.
Auch wenn BEV-Reichweiten kontinuierlich optimiert werden, muss bei der Planung zukünftiger Logistikprozesse (Tourenplanungen sowie Belade- und Entladezeiten) davon ausgegangen werden, dass die Einsatzfähigkeit von BEV-Nutzfahrzeugen unter geänderten Voraussetzungen erfolgt. Gesetzlich einzuhaltende Lenkzeitunterbrechungen, Ruhezeiten und Pausen sowie Fahrzeugbe- und entladungen müssen aus wirtschaftlichen Gründen möglichst mit den Aufladezeiten zeitlich synchronisiert werden.
• Platzbedarf/Stellplatzausbau: Ebenso herausfordernd sind der Platzbedarf für Ladestationen, Ladeplätze und Zufahrtsmöglichkeiten. Aktuell fehlen deutschlandweit ca. 40.000 Lkw Parkplätze. Keinesfalls darf der Ausbau der Ladeinfrastruktur zu Lasten vorhandener Stellplatzkapazitäten gehen. Vielmehr sollte der Aufbau der Ladeinfrastruktur zugleich als Chance gesehen werden, dem Stellplatzmangel entgegenzuwirken.
Masterplan Ladeinfrastruktur II muss zügig umgesetzt werden
Wir, eine Verbände-Allianz aus Unternehmen der Logistik- und Technologiebranche, Herstellern von Ladeinfrastruktur sowie Fahrzeugherstellern bewerten den Beschluss zum „Masterplan Ladeinfrastruktur der Bundesregierung“ im Grundsatz positiv, fordern jedoch gleichzeitig die direkte Einbindung der Industrie und der Nutzer bei der Umsetzung der Maßnahmen ein. Der Masterplan setzt richtige und wichtige Signale für einen schnelleren, bedarfsgerechten und nutzerorientierten Aufbau von Ladeinfrastruktur. Insbesondere zur Mobilisierung von Flächen, der Stärkung der Kommunen beim Ausbau von Ladeinfrastruktur und zur Beschleunigung und Vereinheitlichung von Genehmigungsverfahren werden angemessene Maßnahmen angekündigt. Diese gilt es im Weiteren umzusetzen, wie z.B. eine Verpflichtung zur zeitnahen und garantierten Bereitstellung von Netzanschlüssen durch die Netzbetreiber. Viele der im Masterplan adressierten Prüfaufträge und teilweise gering ambitionierte Zieltermine sollten jetzt rasch unter Einbeziehung der oben genannten relevanten Akteure in einem transparenten Prozess bearbeitet bzw. konkretisiert werden. Die Aufnahme der Lkw-/Omnibus-Ladeinfrastruktur in den Masterplan Ladeinfrastruktur II ist richtig und dringend notwendig. Gleichwohl sehen wir für den schnellen Markthochlauf von BEV-Nutzfahrzeugen noch Handlungsbedarf mit Blick auf konkrete Zielvorgaben für Ladestationen und ambitioniertere Zieltermine für deren Errichtung einschließlich der Bereitstellung erforderlicher Flächen und Energien.
Konkret bedeutet dies:
1. Die Planung für den Aufbau von Ladeinfrastruktur für Lkw und Reisebusse erfolgt spät. Das betrifft sowohl die Netzplanung als auch die Ausschreibung eines Initialnetzes. Eine Ausschreibung im dritten Quartal 2023 reflektiert die anstehende CO2-Regulierung und den signifikanten Markthochlauf ab Mitte des Jahrzehnts nicht adäquat. Über die Cleanroom-Gespräche des BMDV mit der Logistik- und Automobilindustrie wurden die Bedarfe zum erwarteten Fahrzeughochlauf in ausreichender Qualität vorgelegt. Die Ausschreibung eines Initialnetzes für Ladeinfrastruktur für elektrische Nutzfahrzeuge sollte nach Prüfung durch die Hersteller von Ladeinfrastruktur möglichst zeitnah gestartet werden. Die Ausschreibungen sollten konkrete quantitative und zeitliche Zielvorgaben für den Aufbau der Ladeinfrastruktur enthalten.
2. Der Zieltermin für die Konzepterstellung zur Deckung des Flächenbedarfes entlang der Autobahnen ist mit Ende 2023 wenig ambitioniert. Auch hierfür liegen die Bedarfe über die Cleanroom-Gespräche und Studien zum Fahrzeughochlauf vor und sollten kurzfristig konsolidiert werden. Eine Angleichung der jeweiligen Anforderungen im Baurecht der Bundesländer ist unverzichtbar. Der Aufbau von Ladeinfrastruktur für BEV-Nutzfahrzeuge muss auch als Signal gesehen werden, dem wachsenden Parkplatzmangel entgegenzutreten. Die Bereitstellung von öffentlichen Ladeinfrastrukturen muss mit dem für die Einhaltung gesetzlicher Ruhezeiten und Lenkzeitunterbrechungen zur Verfügung zu stellenden Parkraum synchronisiert werden. In Ergänzung zum reinen Energieversorgungsangebot ist die Berücksichtigung und Bereitstellung von Serviceangeboten für das Fahrpersonal empfehlenswert.
3. Der Ausbau und die Auslegung des Stromnetzes sollten vorrangig mit den Anforderungen des Ladevorgangs für die BEV-Nutzfahrzeuge mit den höchsten Ladeleistungen gemäß dem neuen MCS-Standard (MCS – Megawatt Charging System) im Einklang stehen. Darüber hinaus sollten aber auch zahlreiche Möglichkeiten zum „Übernachtladen“ mit angepassten Ladeleistungen geschaffen werden. Entscheidend sind dabei eine angemessene und vorausschauende Planung des Ausbaus und die intelligente Steuerung über ein Energie- und Lastmanagement. Nur so lassen sich die Systemkosten begrenzen und der schnelle Aufbau der Ladeinfrastruktur reibungslos gestalten. Beim Neu-, Um- und Ausbau oder der Modernisierung von Lkw-/Omnibus-Stellplätzen an Rastplätzen, Autohöfen, Depots für KEP-Dienstleister sowie neu zu errichtender Ladeinfrastruktureinrichtungen an Gewerbegebieten, Logistikstandorten, touristischen Hotspots und weiteren Knotenpunkten (gemäß Maßnahme 63 des vorliegenden Plans) sind zukunftssichere Netzanschlüsse unter Berücksichtigung künftiger Ladebedarfe von leichten und schweren BEV-Nutzfahrzeugen inkl. Reisebussen ohne Beeinträchtigung der örtlichen Stromversorgung umzusetzen. Zukunftssichere Netzanschlüsse können auf Basis der vorliegenden Daten bereits vor der Ausschreibung eines Initialnetzes beantragt und aufgebaut werden und dem Initialnetz vorauseilen.
4. Es bedarf eines leistungsfähigen finanziellen Rahmens, um den Netzausbau für BEV-Lkw zu beschleunigen. Vor allem in der Anfangsphase mit geringer Auslastung der Lkw-Ladestationen sollten Investitionen in öffentliche Ladestationen mit MCS-gerechter Netzanschlussleistung und der zugehörige Netzausbau gefördert werden. Für die Investitionen auf privat betriebenen Logistikanlagen und Betriebshöfen muss eine auskömmliche Förderkulisse aufrechterhalten bleiben.
5. Bei der Betrachtung grenzüberschreitender Lkw-Verkehre ist ein kontinuierliches Monitoring der Lkw-Ladeinfrastruktur und eine Abstimmung mit der laufenden Entwicklung der europäischen Alternative Fuels Infrastructure Regulation (AFIR) zu empfehlen. Die Bundesregierung sollte über die Vorgaben der AFIR hinausgehen und ein Aufbauziel von mindestens 4.000 MCS-Ladepunkten bis 2030 verfolgen, um die EU-weite Vorreiterrolle Deutschlands für BEV-Lkw sicherzustellen.
6. Eine Verschärfung der CO2-Flottengrenzwerte für Nutzfahrzeuge und die Definition neuer ambitionierter CO2-Reduktionsziele erfordert ein regelmäßiges Monitoring der Aufbauziele und deren bedarfsgerechte Anpassung.
Mit einem Dreiklang aus der Fortsetzung der bereits bestehenden „Richtlinie zur Förderung von Nutzfahrzeugen mit alternativen, klimaschonenden Antrieben und dazugehöriger Tank- und Ladeinfrastruktur“ (KsNI), einer schnellen, ambitionierten Umsetzung der im Masterplan Ladeinfrastruktur II festgelegten Maßnahmen und einer mit der tatsächlich operativen Einsatzfähigkeit von BEV-Lkw synchronisierten CO2-Differenzierung der Lkw-Maut ist die Bundesregierung auf dem richtigen Weg, den Beitrag der Nutzfahrzeuge zur Erreichung der Ziele des Klimaschutzgesetzes zu ermöglichen.